Tourtagebuch "Jon Lord with
Demon's Eye & Philharmonie
Südwestfalen "
Donnerstag,
22. Oktober 2009
Hilchenbach,
Proberaum der Philharmonie Südwestfalen
und
später am Tag
Siegen, Siegerlandhalle
von Woody Woodstock
Der zweite von
drei äußerst aufregenden
Tagen hat begonnen. Diese Probe
ist das erste Zusammenspiel
von Jon Lord an Hammond und
Flügel (Steinway &
Sons), Demon‘s Eye an
Bass, Gitarre, Gesang und Schlagzeug
und dem Orchester in seiner
mannigfachen Vielfaltigkeit.
Doch sind noch nicht alle Concerto-Involvierten
beisammen – die Sängerin
Kasia Laska wird erst zur abendlichen
Probe in der Siegerlandhalle
dazustoßen. Jedoch rundet
dafür jetzt ein Fernsehteam
vom WDR das Bild ab.
Als wir den Proberaum (eigentlich
die „Probehalle“)
entern, tauchen wir mitten hinein
in ein buntes Durcheinander
von Tröten, Flöten,
Fiedeln und Trommeln, dem Einstimmen
der Orchesterinstrumente. Das
sanfte Klopfen eines Geigenbogens
am Notenständer des Dirigenten
lässt im Nu jegliches Geräusch
im Saal verstummen. Mir fällt
auf, dass sich freudiges Erwarten
sowohl in den Gesichtern der
Band wie auch auf denen der
anderen beteiligten Musiker
widerspiegelt. Und irgendwie
schwingt plötzlich eine
gute Laune in dem Raum als das
First Movement angestimmt wird.
Schon die ersten Töne
packen mich und geleiten mich
hinüber in sich immer weiter
steigernde Dynamik des ersten
Parts. Die gestrigen (verständlich
verhalteneren) Proben verfehlen
ihre Wirkung nicht. Professionell
und begeistert arbeiten sich
die Musiker immer weiter durch
das Stück. Mehr und mehr
erweckt es den Eindruck als
wäre die Gesamtheit der
Musizierenden seit Zeiten eins.
Ein fliegender, fröhlicher
Blickkontakt wechselt zwischen
Andree und seinem Gegenüber
an der Hammond. Der sehr konzentriert
- im wahrsten Sinne des Wortes
- "wirkende" Mr. Lord
taucht mit einem Lächeln
um die Mundwinkel punktgenau
mit Andrees Abschlägen
in Stopps und Einsätze
- immer wieder das Gelungene
lobend mit der aufbauenden „brilliant-gemacht“-Geste
von sich berührendem Daumen
und Zeigefinger. Wie ein Star
mit Weltruhm so feinfühlig
Leistung ehrt, lässt meinen
Respekt für ihn nur um
so mehr wachsen. Ich schaue
mir Demon‘s Eye an und
denke: „Toll, was Fleiß
und Begeisterung für die
Musik zustande bringt. Da treffen
sich so viele Menschen aus aller
Herrn Länder, um sich spielerisch
aufeinander einzulassen. Ups...
ein Anflug von Gänsehaut
reißt mich aus meinen
Gedanken, nun mitten im Second
Movement. Die Streicher entführen
mich akustisch in eine bombastische
Landschaft, die aus "Herr
der Ringe" stammen könnte,
verweisen dann zur Orgel, welche
nun ihrerseits das gesamte Orchester
bestimmend in rockige Gitarrenriffs
lenkt.
Bernds rauch-samtige Stimme
fühlt sich stimmig ein
und dimmt schließlich
fast einsam mit den Streichern
aus...
Ein Königreich für
ein Taschentuch, tröööt....
wow, bin ich ergriffen.
Ein "I‘m very happy
with the band", sagt Mr.
Lord zwischendurch und geht
zum nächsten Teil über.
Ich lasse meine Blicke von den
reihum einsetzenden Instrumenten
über das Orchesters bis
hin zur Hammond lenken –
zuletzt erreiche ich Gitarre
und Bass. Maik und Mark sind
voll in ihrem Element, verschmelzen
in ihrer Aufgabe, absolut souverän.
Vielleicht macht es gerade deshalb
so viel Freude, sich auf die
Darbietung einzulassen, die
nicht nur Mr. Lord immer wieder
beschwingt mitgehen lässt.
Demon‘s Eye ernten schon
heute ihre Früchte für
die harten Proben in der Vergangenheit.
Es ist wahrhaftig ein Ohrenschmaus
für richtige Genießer.
Und sollte es jemandem bis jetzt
gelungen sein, ruhig Blut zu
bewahren, er wird spätestens
jetzt vom brachialen Einsatz
der Pauken und des Xylophons
mitgerissen – die Begeisterung
springt Eins zu Eins gnadenlos
auf den Zuhörer über.
Puh, Pause. Erst mal sacken
lassen. Doch schon geht es weiter
mit den Jon Lord-Solo- und Deep
Purple-Songs. Die gesammelten
Erkenntnisse des letzten Proben-Abends
gibt der Dirigent kurz an seine
„Mannschaft“ weiter
und schon finde ich mich mitten
in „Pictures of home“
wieder. Bernd wächst spielend
über sich hinaus –
seine dezent angesetzten und
dann ins volumige steigernden
Schreie erinnern an das beeindruckende
Original aus den 70ern. Im nahtlos
anschließenden "Bourée"
ist Andree mit seinem ins orientalisch
anmutenden Schlagzeugrhytmus
tonangebend. Klavier und Flöten
runden das Erlebnis ab. Wie
sagte Mr. Lord noch gestern:
„Verspielt klingen lassen
– sich dem Rhythmus einfach
hingeben“. Und genau das
passiert in diesem Moment. Mit
geschlossenen Augen befinde
ich mich in einem akustischen
Zelt voller ornamental geknüpfter
Teppiche, auf denen eine orientalische
Schönheit gehüllt
in Schleier wiegend den Bauchtanz
vollführt, um sich kurze
Zeit später im Rausch der
Klänge extasisch-erschöpft
zu Boden zu werfen. Musik -
wohin führst du mich noch?
Ins Barock!... „The Telemann
Experiment“ folgt beschwingt
nach dem Einsatz von Piano,
Querflöten und Streichern.
Vor dem inneren Auge schreiten
bunt gewandete Damen und Herren
im Reigentanz um sich im Nu
in weißperückte Tänzer
aus dem Rokoko zu verwandeln,
gerade als das Spinett einsetzt.
Die verspielt jazzrockigen Gitarrenriffs
bilden einen unerwarteten Übergang
zurück zum Barock und rundet
mit einer Mischung aus allen
Stilen die Reise durch die Zeit
musikalisch ab.
Ich liebe meine Phantasie! Probiert
es aus, schließt die Augen
und lasst Euch am Freitag einfach
entführen!
Harfenklänge geben mir
nun nach einer kleine Pause
die Gelegenheit, mich ganz auf
„Pictured within“
einzulassen. Bernds mutige Entscheidung,
sich ganz seiner Gabe zuzuwenden
und den Gesang zu seinem Lebensinhalt
zu machen, zeigt sich besonders
hier wieder einmal mehr als
richtig. Das ist noch gar nicht
so lange her. Und es sei erwähnt,
dass Demon's Eye in dieser jetzigen
Besetzung erst seit neun Monaten
zusammen spielen – um
so mehr beeindruckend die hier
professionell dargebotene Zusammenarbeit.
Apropos Zeit: Die Proben schließen
nun nach zwei mitreißenden
Stunden. Jetzt geht es darum,
das Equipment rasch abzubauen,
um es in Windeseile wieder in
der Siegerlandhalle auf die
Bühne zu bringen –
für die nächste Probe
im großen Saal gemeinsam
mit der Sängerin Kasia
Laska.
Und wenn Ihr mir sagt, ich
sei privilegiert, in dieser
„privaten“ Atmosphäre
dabeisein zu dürfen, dem
gebe ich mit Leib und Seele
Recht. Und wer sich ähnliches
am Freitag in der Siegerlandhalle
nicht entgehen lassen möchte,
dem empfehle ich den Run auf
die Abendkasse, um noch eine
der letzten 150 Karten zu ergattern...
danach nämlich ist das
Konzert ausverkauft. Ach nebenbei:
Eine kleine Kostprobe gab es
gestern Abend in der Lokalzeit
des WDR um 19:30 zu sehen. Nicht
gesehen? Dann schaut Euch einen
Mittschnitt der Probe und der
Interviews mit Mr. Lord, dem
Dirigenten und Andree Schneider
einfach hier
an.
Teil
3 des Tourtagebuchs
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Fotos:
Moni Kircher
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