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Demon's Eye & Jon Lord wenige Minuten vor Auftrittsbeginn



Tourtagebuch "Jon Lord with Demon's Eye & Philharmonie Südwestfalen "

Freitag, 23. Oktober 2009

Siegen, Siegerlandhalle

von Woody Woodstock

Sollte jemand meinen, am Tag der Generalprobe und des Konzertes lägen die Nerven bei Demon's Eye blank, so kann ich nur feststellen - weit gefehlt! Zumindest wirkt es auf mich nicht so. Am Frühstückstisch im Hotel herrscht eine ausgelassene Stimmung. Marks erwartungsvolles Gesicht schaut mich an: "Bin bestens vorbereitet... habe gestern Abend noch neue Saiten auf die Gitarre gezogen und die dann eingespielt – wann geht’s los?" Bernd ruht in bewundernswert stoischer Gelassenheit. Dazu hat er auch jeden Grund, denn er glänzte bereits während der gestrigen Probe – sowohl alleine als auch im Duett mit Kasia Laska. Mr. Lord kniff ihm väterlich in die Wangen und machte auch ansonsten allerlei Späße, um die bereits positive Stimmung noch mehr zu heben.

Noch liegt die Siegerlandhalle in verschlafener Stille. Wir betreten gegen halb Zehn den Saal. Aber es soll nicht lange so ruhig bleiben... nach und nach trudelt das Orchester ein und ein netter Cellist gibt mir nebenbei noch einen kleinen Einblick in die Geheimnisse der Cellobogen-Präparation. Das Rosshaar wird - wie soll ich's sagen? - "gewachst", damit es besser die Saiten beim Streichen "mitzieht". Aha! Aber derartige Feinheiten sind wohl eher etwas für Detailverliebte...

Schön sind ja auch oft die kleinen Anekdoten am Rande. So bewarb sich eine Geigerin aus Kassel eigens für diesen Auftritt bei der Philharmonie Südwestfalen. Ihre Eltern hatten 1975 im Zusammenhang mit Jon Lords Soloalbum "Sarabande" mit dem damaligen Deep Purple-Organisten musiziert. Und siehe da – die Philharmonie Südwestfalen sagte ja und erfüllte der Geigerin damit einen Wunschtraum: Rund 34 Jahre nachdem ihre Eltern mit Lord musiziert hatten, stand sie in Siegen nun auch mit ihm auf einer Bühne.

Um 10.00 Uhr geht’s los mit der Generalprobe: Noch zwei Stunden Zeit für den musikalischen und technischen Feinschliff.
Und diese finale Probe vor dem großen Showdown verläuft zur Zufriedenheit aller. Als Andree scherzhaft zu Jon sagt "Das war eigentlich viel zu gut für eine Generalprobe", entgegnet dieser: "Ich weiß, dass das fast alle Musiker sagen. Aber ich habe da ganze andere Erfahrungen gemacht, denn eine gelungene Generalprobe und das damit verbundene Sicherheitsgefühl ist insbesondere für ein Orchester sehr wichtig, weil es dann in aller Regel bei der eigentlichen Aufführung sogar noch besser spielt."

Der Abend kann also kommen und die Gäste auch. Bin mal gespannt, ob es mir gelingt, den bei diesem Konzert am weitesten angereisten Fan zu finden. Im Moment liegt Berlin mit 630 km vorne. Da sich aber zuvor Fans aus anderen Ländern angekündigt haben, wie z.B. aus Finnland und England, wird dieser Vorsprung vermutlich nicht lange zu halten sein. Wer gut informiert ist weiß, warum manch eine solche lange Reise gerne in Kauf nimmt: ein Konzert mit Jon Lord, Demon's Eye & Orchester ist eben nur "zwei"malig: 1 x in Siegen und 1 x in Potsdam. Allerdings ist das Potsdamer Konzert am 23. Januar 2010 schon jetzt ausverkauft.

Während ich hier im Zuschauerraum sitze und diese Worte für Euch mitten aus der Generalprobe heraus tippe, neigt sie sich auch schon dem Ende zu. Nicht ganz so schlimm... denn der Auftritt naht...


Es ist Samstag Vormittag – der Tag nach dem Konzert...
Einen guten Morgen! ...haben bestimmt außer mir noch viele andere der Glücklichen, die sich gestern einen Platz in der mit 1900 Besuchern rappelvollen Siegerlandhalle sichern konnten. Vielleicht pulsieren noch ein bisschen die Handflächen vom frenetischen Applaus, der sich nach jedem dargebotenen Stück einstellte; vielleicht ist der Kreislauf noch hochgepuscht von den gymnastisch anmutenden Auf‘s und Ab‘s der immer wiederkehrenden Standing Ovations, für die die Musiker mit ihrer mitreißenden Darbietung sorgten; vielleicht ist auch der Hals noch kratzig von den begeisterten Schreien nach MEHR und der lautstarken Würdigung dieses Konzertes – aber sind das nicht einfach nur die bekannten Neben- und Nachwirkungen eines äußerst gelungenen Abends?
Ich für meinen Teil konnte nun hautnah an den Fans erleben, was mir selber bei den Proben passiert war: Die sich ins scheinbar unermessliche steigernde Dynamik einzelner Stücke riss mich ab und an förmlich vom Hocker und ich fand mich plötzlich stehend und angemessen headbangend neben meinem tischstationierten Laptop wieder. Ihr erinnert Euch: dies meinte ich mit der gestern beschriebenen "Eins zu Eins-Übertragung" der Begeisterung von den Musikern auf die Zuhörer. Und wo wir gerade von Begeisterung sprechen: Auf der Bühne stand Dirigent Russell N. Harris auf seinem Podium Jon Lord hinter der Hammond in Sachen Stageacting in nichts nach. Diese beiden Herren rockten! Mit vollem Körpereinsatz trieben der Eine wie der Andere Orchester und Band durch die Lord'schen Kompositionen, führten je nach Stimmung kraftvoll oder behutsam die einzelnen Elemente zusammen.

In einem Radio-Interview hatte Mr. Harris vor einigen Jahren nebenbei fallen lassen, dass er eine Vorliebe für "Klassik meets Rock"-Projekte habe und z.B. ein Fan des "Concerto for Group and Orchestra" sei. War es Schicksal, dass Andree zufällig diese Aussage im Radio erhaschte? Jedenfalls führte er zusammen, was - nun bewiesenermaßen - zusammen gehört: den Komponisten, den Dirigenten, das Orchester und natürlich die Band. Was für ein Event!

Meine persönlichen i-Tüpfelchen des Konzertabends waren zum einen die stimmungsvoll harmonierende Lichtshow, die die Bühne in ein sanft wechselndes Farbenspiel tauchte, inklusive des glitzernden Sternenvorhangs, der die klassischen Parts auf wundervolle Weise untermalte und zum anderen der differenzierte und doch druckvolle Sound. Daher gilt mein Dank auch Torsten Moser und seinem Team, ohne die dieser Abend in dieser Form nicht hätte stattfinden können. Andree hatte im Vorfeld Wert darauf gelegt, dass jedes einzelne Instrument des Orchesters mit Mikrofon abgenommen wird. Ein unglaublicher Aufwand! Jon Lord zeigte sich anfangs eher skeptisch, ob das eine gute Idee war und ob nicht einige im Orchester platzierte Richtmikrofone die bessere Lösung gewesen wären. Als er aber während des Soundchecks zum Mischpult ging, um sich von dort aus das Orchester anzuhören, nickte er anerkennend und meinte: "Fantastic sound!" So ist es auch zu erklären, dass die Lautstärke von Orchester und Band am Konzertabend ausgeglichen war. Mit einigen Richtmikrofonen hätte das möglicherweise nicht geklappt, denn dafür ist die Band vergleichsweise einfach zu laut.

Dank seiner Entertainer-Qualitäten verknüpfte Jon Lord die einzelnen Movements und Songs mit viel feinem, trockenem Humor. Er führte charmant-elegant und lausbübisch verschmitzt durch den Abend.

Nach der aus meiner Sicht vorzüglichen Aufführung des "Concerto for Group and Orchestra" gab es eine zwanzigminütige Pause, in der Jon Lord zu Dirigent Russel N. Harris und Demon's Eye sagte, dass er sein Werk schon seit Jahren nicht mehr so gut aufgeführt habe. Jon war begeistert von der Dynamik.

Als der Star des Abends zum guten Schluss die ersten Töne von "Child in Time" spielte, ging ein Aufschrei durch das Publikum. Was für eine wunderbare Version! Der dynamische Aufbau von Band und Orchester in diesem monumentalen Song war einfach nur überwältigend! Ich habe noch bei keinem Konzert so viele zutiefst berührte Menschen erlebt. Manch einer wischte sich verstohlen die Tränen aus dem Gesicht oder ließ ihnen einfach nur freien Lauf. Beim Gitarrensolo ließ es Mark so richtig krachen, und als er die Gitarre auf dem Bühnenboden bearbeitete und dadurch die Stimmung im Publikum endgültig überschwappte, musste Jon Lord doch etwas grinsen. So eine Einlage hatte er vermutlich auch schon länger nicht mehr erlebt. Der ansonsten sehr vornehme und auf Etikette bedachte Russel N. Harris meinte beim Gang von der Bühne zu Mark: "What a fucking great guitar solo!" Tja, im Grunde seines Herzens ist der Dirigent wohl auch ein Rock'n'Roller. Und er war offenbar wirklich begeistert von Demon's Eye, denn er bat um rechtzeitige Information, wenn die Band mal wieder in der Nähe einen Auftritt habe, damit er als Zuschauer dabei sein könne.

Was bleibt noch zu sagen? Alles in allem ist der musikalische Brückenschlag zwischen Rock und Klassik wunderbar geglückt. Nahezu alle Anwesenden - Akteure und Zuschauer gleichermaßen - wurden sichtbar für 2 Stunden und 15 Minuten in ihren Bann gezogen.

Wie Andree mir später sagte, war dieses Konzert sein bislang emotionalstes. Ich glaube, das hat er nicht als Einziger so empfunden...

Die Setlist:
Concerto for Group and Orchestra

- Pause -

Pictures of Home
The Sun Will Shine Again
Bouree
Pictured Within
Telemann Experiment
Wait A While
Gigue

Zugaben:
Soldier Of Fortune
Child In Time

PS: Ach übrigens, Finnland mag zwar rein entfernungstechnisch den Kilometerrekord gebrochen haben - aber Ralf aus Amsterdam, der mit dem Auto von den Niederlanden erst nach Kennelbach/Österreich fuhr, um da einen anderen Fan (besser: eine Fanin) abzuholen, dann von dort aus gemeinsam mit ihr die Reise zum Siegener Konzert anzutreten, ist mit der einfachen Strecke von 1.300 km dennoch mein persönlicher Favorit...

Ich hoffe, alle hatten eine gute Heimreise.

See you - Woody




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Fotos: Uwe Schöler, Moni Kircher